Alterswohnen im Rebberg
Herrliberg

Studienauftrag 2013, 2. Preis (ex aequo)

Erweiterung des Alters- und Pflegeheimes Rebberg mit 37 Alterswohnungen, Räumen für die Spitex und einem Fitnesscenter

Alterswohnen im Rebberg

Im ehemals grossen Weinbaugebiet Herrlibergs, wie sie in den Stichen von vom Zürichsee im 18. Jahrhundert dargestellt sind, können heute nur mehr vereinzelt Rebberge angetroffen werden.

In der unmittelbaren Umgebung des Projektperimeters sind noch einige Rebkulturen erlebbar.

Die Vorstellung, inmitten eines Rebhangs zu wohnen, ist gleichsam reizvoll und ein spezifisches Herrliberger Erbe.

Der aussergewöhnliche Blick auf See und Alpen in südlicher und westlicher Richtung ist eine zusätzliche Qualität, auf der der Projektvorschlag fusst.

In einem ersten Schritt wird der gesamte Projektperimeter gedanklich mit Reben gefüllt um an die bereits bestehenden Reben der nördlichen und nordöstlichen Nachbarparzellen anzuschliessen. Damit wird ein neuer ganzer und grosser Rebhang geschaffen. Dort, wo der Neubau und dessen Erschliessung gebaut werden sollen, werden sodann Rebfreiflächen geschaffen. Ebenso an den Stellen, wo die topographischen Verhältnisse die Kultivierung von Rebstöcken dies mit wirtschaftlich interessantem Aufwand nicht zulassen. An diesen Orten werden Obstwiesen vorgesehen, die oft im näheren Umfeld von Weingütern sichtbar sind.

So ist der Neubau bewusst von der Strasse abgerückt, mitten in den neuen Rebberg gesetzt. Zwischen Strasse und Haus werden Rebstöcke gepflanzt, durch die hindurch von der Schulhausstrasse eine flache Treppe auf einen Platz führt. Ein zentraler Hauseingang mit Lobby im Erdgeschoss führt die Besucher zu den öffentlichen Nutzungen Fitness, Physiotherapie, Arzt und Spitex. Diese Räume werden über zwei Kerne erschlossen, die sogenannten Rebzimmer. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschosse erhalten die Rebzimmer Licht über Atrien, die wiederum mit Licht aus dem Rebzimmer des 3. Obergeschoss versorgt werden. Dort öffnet sich das Rebzimmer tatsächlich zum Rebhang mittels einer grossen Verglasung. An die Verglasung anschliessend ist eine grosszügige Terrasse angeordnet, die flach einfallendes Morgenlicht einfängt.

Das Rebzimmer im 4. Obergeschoss bietet mit der beidseitigen Orientierung zu See und Rebberg unterschiedliche Charakter im Tagesverlauf. Dort ist der prominent gelegene Mehrzweckraum, der sich zum See hin über eine grosszügige allgemeine Dachterrasse öffnet. Eine Aussendusche und ein Aussengrill, die gleichzeitig die Trennung der allen Bewohnern gemeinsamen Terrasse zu den privaten Dachterrassen bilden, runden den aussergewöhnlichen Ort auf dem Dach ab.

Wie die öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss werden auch die obergeschossigen Wohnungen über die im Kern angeordneten Rebzimmer erschlossen. Die Wohnungen reihen sich um das Zentrum herum und entwickeln sich über die Nebenräume hin zu den Wohnzimmern und Schlafzimmern an der Fassade. Dort hat jede Wohnung sowohl einen gedeckten und ab dem 2. Obergeschoss auch einen zum Himmel geöffneten Aussenraum. Die Form des Hauses ist so bestimmt, dass jede Wohnung den Blick zum See und zu den Alpen bietet.

Die dafür notwendige Auflösung des Hauses ab dem 2. Obergeschoss in zwei Baukörper führt zu einer kleinteiligen Erscheinung, die gerade von der Rebhangseite und insbesondere vom sensiblen Standpunkt an der Habüelstrasse gut sichtbar ist. Von dort scheint der Rebhang „zwischen den beiden Häusern“zur Schulhausstrasse hindurch zu fliessen.

 

FUNKTIONALITÄT

Ein weiterer Vorteil der Auflösung in zwei Baukörper ist die dadurch erwirkte geringe Zahl an Treppenhäusern und Aufzügen. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss werden die beiden notwendigen Fluchttreppenhäuser mittels der Verbindung über den Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss beziehungsweise des Stationszimmerbereichs im ersten Obergeschoss gebildet. Das zweite Obergeschoss erhält eine weitere Fluchttreppe, die direkt zur Terrasse im dritten Obergeschoss ins Freie führt. Das dritte Obergeschoss kann über das Rebzimmmer direkt ins Freie entfluchtet werden, das vierte Obergeschoss benötigt von der Fläche her nur ein Fluchttreppenhaus.

Über das Treppenhaus sind die Schaltzimmer direkt verbunden, so dass diese entweder der einen oder der anderen Wohnung zugeschlagen oder einzeln vermietet werden können.

Zumietbare Ateliers sind im Erdgeschoss an der Fassade gelegen und für Nutzungen gedacht, die die Öffentlichkeit adressieren. Weitere zumietbare Flächen sind im ersten und zweiten Obergeschoss angeordnet und werden direkt von den Rebzimmern erschlossen. In den beiden Geschossen finden sich hangseits zudem die Keller für die Bewohner. 

„Zwischen den beiden Häusern“ sind die zentralen Nutzungen wie der Pflegesatellit im 1. Obergeschoss und der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss angeordnet. Vom Stationszimmerbereich gelangt man so in kurzen Wegen zu den Wohnungen. Der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss schliesst mit der langen Seite an die Eingangslobby an, die bei grösseren Veranstaltungen als Foyer dient.

Das Thema des Rebhanges und der Weinkultur wird auch im Innenraum mit einem „Vinarium“ im Erdgeschoss fortgesetzt. Von der Lobby aus erschlossen wird das Vinarium ein Treffpunkt. Der Raum ist von Schränken gesäumt, in denen die sie ihren Wein lagern und ihn mit Gästen oder anderen Bewohnern an einem Degustationstisch auch geniessen können.

 

LANDSCHAFTSARCHITEKTUR

Das Gestaltungsmittel für die Verbindung bzw. Auflösung der Kategorien Landschaft und Architektur wird mit der Pergola gefunden. Die Pergola vereint beide Elemente in einer Idee: die Rebe rankt sich den Stützen entlang in die Höhe bis zu den Holzträgern und bildet dort einen natürlichen Sonnenschutz.

Verschiedene Pergolen finden sich verteilt auf dem ganzen Perimeter. Entweder sind sie Teil der Umgebung oder sie sind Teil des Hauses. Die dadurch entstehende Unschärfe ist beabsichtigt; es ist nicht mehr klar, wo die Umgebung anfängt oder die Architektur aufhört. Anders gesagt: Die Umgebung wird Teil des Hauses und das Haus wird Teil der Umgebung, die Bewohner leben sprichwörtlich im Rebhang.

Die neuen Gebäude werden wie Rebgüter in den Hang gesetzt und bilden zusammen mit der von West nach Ost verlaufenden Erschliessung eine Geländeterrasse, welche eine prägnante Kante zu dem neu angelegten Rebfeld im Süden bildet. Dadurch kommen die bestehenden und neuen Rebstöcke in optimaler, regelmässiger Hanglage zu liegen und weisen, bedingt durch die Bewirtschaftung, eine klare Umgrenzung auf. Demgegenüber umspielt die Obstwiese sowie der Bachlauf im Osten die klaren, geometrischen Strukturen der Bauten und Rebkulturen, hält sie zusammen und lässt so den Rebhang zur Einheit werden.

Durch die Aufwertung der bestehenden Bewirtschaftungspfade im Bereich des bestehenden Rebackers entsteht für die Bewohner ein attraktiver Spazierweg. Die neu eingefügten Aussichtsplätze bilden besondere Rückzugsorte und lassen den Rebhang so zu einem ganz besonderen Erlebnis werden.

  

NACHHALTIGKEIT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT

Bei der Formfindung des Hauses wurde darauf geachtet, dass die Lasten möglichst direkt ins Fundament abgeleitet werden. Mit Ausnahme des vierten Obergeschosses liegen die Fassaden jeweils in einer Ebene und kommen ohne horizontale Versprünge aus, der Dämmperimeter wird ohne Umwege linear von der Bodenplatte des Erdgeschosses bis zum Dach geführt. Die Balkone werden mittels gedämmten Isokörben mit den Decken verbunden. Im Erdreich und im Dach wird zusätzlich eine aussenliegende Dämmung angebracht

Für den Wärmeenergieverbrauch interessant ist der Umstand, dass zum Erdreich hin unbeheizte Pufferräume wie Keller oder Treppen angeordnet sind. Eine weitere Zonierung der Raumbeheizung wird mit dem unbeheiztem Rebzimmer vorgenommen, der Energieverbrauch kann so weiter gesenkt werden.

Das Haus ist in monolithischem Beton gebaut, der mittels seines würdevollen Alterungsverhaltens den Anspruch der 2000-Watt-Gesellschaft nach pflegeleichten Materialien einlöst.

 

HAUSTECHNIK

Die Parkierung ist im ersten Untergeschoss für die Bewohner beziehungsweise Gäste und im zweiten Untergeschoss für Drittnutzer vorgesehen. Die Drittnutzer haben einen eigenen Lift und zwei eigene Fluchttreppenhäuser um eine möglichst hohe Entflechtung der beiden Gruppen zu ermöglichen.

Die benötigte Wärme für die Beheizung und das Warmwasser erfolgt primär über eine Holzschnitzel-Wärmeerzeugung, welche in einen bestehenden Wärmeverbund eingebunden wird. Die automatische Holzschnitzelfeuerung und das Schnitzelsilo sind im 2.UG vorgesehen. Als Anlieferung dient eine Bodenöffnung im Garagenzufahrtsbereich, die jeden Monat ein- bis zweimal verwendet wird. Die Zufahrt beziehungsweise Ausfahrt erfolgt zu diesem Zeitpunkt jeweils für eine viertel bis halbe Stunde nur einspurig.

Für die Raumwärme sorgt eine Fussbodenheizung mit individueller Raumregulierung.

Die Räumlichkeiten werden mit den hygienisch notwendigen Luftmengen versorgt. Die zentralen Lüftungsanlagen sind hausweise gegliedert und werden bedarfsabhängig betrieben. Nicht benutzte Zonen können abgeschaltet werden. Die Aussenluftfassung erfolgt nordseitig über die Fassade. Die Luftaufbereitungsanlagen im Untergeschoss umfassen einen hocheffizienten Enthalpietauscher ohne Luftnachwärmung, wobei auch die Feuchte aus der Abluft zurückgewonnen und der Zuluft zugeführt wird. Es wird keine Primärenergie benötigt.

Die Zu- und Abluft wird mit Einzelrohren, pro Zone und Wohnung über die liftanliegenden Schächte verteilt. Durch Luftverteilkästen und Auslässe erfolgt die Zulufteinführung in die Zimmer- und Aufenthaltsbereiche. Entnommen wird die Abluft in den luftbelasteten Nasszellen und Küchen. In den Küchen sind Umlufthauben mit Aktivkohlefilter vorgesehen.

Die Haustechnikschächte sind durchgehend vom Dach bis ins Untergeschoss ohne horizontale Versprünge oder ausgedehnte Einlagen in Beton möglich.

Für die Installationen in den Nasszellen werden vorfabrizierte Sanitärelement eingesetzt. Die Duschen werden hindernisfrei ausgeführt. Das anfallende Regenwasser wird auf dem Grundstück nach Möglichkeit versickert.